RaceAcrossFrance – Das Rennen ohne Vorgeschichte, bei welchem die Geschichte erst geschrieben werden muss

Das Höhenprofil des RaceAcrossFrance (RAAF) liess das Herz der «berggeiss» höherschlagen – doch ist es möglich nur sieben Woche nach dem RaceAcrossAmerica ein Rennen in dieser Länge und mit Streckenprofil zu bestreiten? Da das Rennen zum ersten Mal ausgetragen wurde, gab es keinerlei Referenzen wobei diese wohl kaum aussagekräftig gewesen wären bei der Frage: Ist ein Athlet im Stande dieses Rennen mit der Vorbelastung eines RAAM’s zu bestreiten. Die Einzige Möglichkeit dies herauszufinden war also selber zu starten. Sollte diese Mission aufgehen werde ich Geschichte schreiben und als erste Athletin / Athlet innerhalb von so kurzer Zeit zwei Extremradrennen mit diesem Umfang beenden.
Mit der Überzeugung das ich mich vom RAAM bestmögliches erholt habe und auf eine starke Crew im Rücken vertrauen darf, reisten wir nach Cannes (nähe Nizza) zum Startort. Vor Ort gab es nicht mehr viel zu erledigen – dank der Schweizerpräzisions-Vorbereitung welche bereits zu Hause weit gehend abgeschlossen war.
Für einmal stand mir nicht die Ehre zu das Rennen als einzige Solostarterin zu eröffnen, sondern als Letzte ins Rennen geschickt zu werden.
Sprüche und Wetten machten wohl in der Crew sehr schnell ihre Runden: Wie lange dauertes, bis keine Rücklichter der Konkurrenten mehr vor uns liegen?
Mich interessierte dies nicht, denn ich befand mich auf der Mission herauszufinden, kann ich die benötigte Leistung abrufen. Für mich war die 24 Stunden Marke sehr wichtig. Den nach dieser Marke würde sich wohl herausstellen wie ich körperlich und mental auf die Belastung reagieren würde.
Als ich nach zirka 32 Stunden aus meine erste Schlafpause à 35’ geweckt wurde, war für mich klar – Körper und Kopf sind ready für dieses Rennen und wir werden das gemeinsam mit dem Team rocken.
Die Landschaft war vom Start weg einfach nur grandios und faszinierend. Die Streckenführung lässt jedes Radherz höherschlagen – selten wurden wir durch Städte geführt.
Am meisten freute ich mich auf die Kombination Mont Ventoux / Alp d’Huez / Col du Galibier welche geplant war, innerhalb von rund 12 Stunde zu befahren. Jaja, die «berggeiss» liebt die Berge und irgendwie sind sie mir auch nach 45’000 Höhemeter nicht verleidet.
Die Höhenmeter sind das Eine, das Wetter etwas anderes. Es war alles enthalten von über 35 Grad bis zu 2 Grad. Von Sonne über Regen zu Gewittern mit Hagel – doch machen nicht gerade diese Naturschauspiele das Ultracycling aus? Für mich hat es auf jeden Fall immer auch positive Aspekte. So werde ich bei Regen viel weniger müde und das Duschen kann zugleich beim treten erledigt werden.
Ein Wort zu den französischen Strassen. Wer meint die amerikanischen Strassenbeläge seien nicht für Radfahrer gemacht, war noch nie in Frankreich. Hier reiht sich Schlagloch an Schlagloch was ein Ausweichen unmöglich macht. Ein ruhiges dahin fahren wird somit von ständigen Schlägen unterbrochen und kann zermürbend sein. Doch was ich nicht ändern kann, darf mich keine Energie rauben – also akzeptieren und annehmen.
Meine 8-köfpige Crew gab alles um mich wach und bei Laune zu halten. Viele lustige Gespräche, ernste Diskussionen, Gesangseinlagen und unzählige Nachrichten, die mir vorgelesen wurden liessen die Stunden dahin schmelzen. Unterbrochen wurde dieses Unterhaltungsprogramm nur von der Ansage: ESSEN & Trinken. Was sein muss, muss sein auch wenn man ab dem zweiten Tag eigentlich nicht mehr wirklich Lust auf Kartoffelstock, Brei etc. hat. Eine Gourmetreise sieht definitiv anders aus.
Nach rund 1’600 Kilometer sind die höchsten Berge hinter uns und es warten noch fast 1’000 Kilometer Bodenwellen. Nicht zu unterschätzen, den je näher wir dem Meer kommen desto mehr Gegenwind bläst mir entgegen. Die Gegend ist weiterhin einfach ein Traum und für mich wird schnell klar, dieses Rennen ist das schönste Rennen das ich bis jetzt gefahren bin – diese Ansicht teilt übrigens auch die Crew mit mir.
Nach 5 Tagen und 8 Stunden darf ich ins Ziel einfahren und damit meine zweite Mission dieser Saison erfolgreich beenden. Auch wenn es viele als unmöglich angesehen haben – ist es mir gelungen das RAAF sieben Wochen nach dem RAAM auf dem zweiten Platz Overall zu beenden.
Wer das Rennen verfolgt hat, war allenfalls etwas erstaunt, dass ich meine Führung welche in den Bergen gute 50 Kilometer betrug, nicht ins Ziel fahren konnte.
Wie stark dabei das RAAM seinen Anteil hat kann ich nicht sagen – entscheidend ist aber das ich in den Bergen einfach zu wenig Vorsprung herausgefahren bin um diesen in der «Fläche» ins Ziel fahren zu können. Hätte / wäre / wenn sind Fragen, die weder ich noch das Team stellen, da wir kein DNF riskieren wollten. Das ich 250 Kilometer auf den dritt Platzierten herausgefahren bin – ist für mich Bestätigung genug das es mir gelungen ist erneut im Herrenfeld mitzumischen.

Die Tage nach der Zielankunft verbrachte das Team gemeinsam beim Shoppen, ausruhen und am Meer.